Blogeintrag 005.

Drinnen bleiben und rausgehen … der Draußen-Block 😉

Blog 18.10.2022

Drinnen bleiben und rausgehen … der Draußen-Block 😉

Wenn ich jetzt rausgehe, möchte ich schon so manches Mal lieber drinnen bleiben. Drinnen ist es warm – meistens, wenn die Heizung dann läuft oder ich alle meine Wollsachen trage – und drinnen ist es trocken. Drinnen weiß ich, wo mein Schreibtisch, mein Sofa und mein Bett steht, wo die Yogamatte liegt, selbst ich selbst nicht darauf liege. Ich weiß, wo mein Kühlschrank ist, wenn ich Hunger bekomme und ich weiß sogar, wo meine Steuererklärung liegt und auf mich wartet. Dann möchte ich plötzlich rausgehen…

Wenn ich jetzt rausgehe, sehe ich grüne, gelbe, orange, rote oder gar keine Blätter an den Herbstbäumen. Ich freue mich und bin doch immer wieder melancholisch, auch traurig: der Frühling hatte doch gerade erst angefangen und nun ist der Sommer schon vorbei und es gibt schon länger Weihnachtskekse. Der Wind sorgt dafür, dass die Straßen bunt und die Radwege rutschig werden. Es riecht nach reifen Äpfeln, nach moderndem Laub und nach alkoholischer Gärung von Fallobst. Ich sehe überall Früchte und ernte: die letzten Brombeeren, Äpfel, Birnen, Hagebutten, Walnüsse, Sanddorn, die heiß geliebten Esskastanien und unfassbar viele Pilze dieses Jahr. Ich fröstle und genieße den wiederentdeckten, grauen Wollpulli mit besonders langen Bündchen, gestrickt von meiner Mutter. Mein Sohn wollte ihn schon in die Altkleidersammlung geben. Ich konnte den Pulli retten. Der Duft von Holzfeuer erfreut meine Nase, viel öfter als in den vergangenen Jahren und ich denke an Lagerfeuer. Ich will es endlich selbst schaffen, selbst einen Funken zu entzünden. Für meine Wildnispädagogik-Weiterbildung übe ich Feuer bohren und außer meinem Schweiß läuft es noch nicht so erfolgreich: heiß ja, Glut noch nicht. Ich gebe nicht auf und warm wird mir dabei auch. Mir fällt das Liedersingen ein und Laterne laufen und die Lichter in den Fenstern, die Zeitumstellung, die langen nordischen Winternächte. Dunkelheit und die Vergänglichkeit sind draußen nicht so leicht auszuhalten.

Wenn ich rausgehe, begegnet mir immer etwas Unerwartetes. Ich radle in die Stadt bei blauem Himmel – ja, den haben wir im Norden viel öfter als Ihr denkt. Und dann sind die Wolken da und die Regenhose wird naß und ich hoffe, dass die neuen Bücher zu Outdoor Education in der Fahrradtasche trocken bleiben. Sie bleiben trocken und ich bin überrascht, dass mich der Regen nicht ärgert, sogar Spaß macht. Ich fahre nach Hause und über den Weg läuft langsam eine grauschwarze Spitzmaus, eigentlich viel zu langsam. Als ich sie „retten“ will, ernte ich Verärgerung: die Maus quiekt in meiner Hand und der andere Fahrradfahrer schimpft über mein Rad, das er umfahren muss, damit die Maus nicht platt gefahren wird.

Wenn ich rausgehe, komme ich anders wieder: zufriedener, meist ruhiger, oft erschöpfter und gesund-müde. Draußen erlebe, entdecke und lerne ich immer etwas – Micro Adventure -, was mein Weltbild erweitert und was abends einen wohlverdienten Platz in meinem Dankbarkeitstagebuch findet. Manchmal tut schlicht auch das Zurückkommen gut, wie die Brotzeit auf der Hütte nach einer langen Wanderung.

Wenn ich mit Kindern oder Jugendlichen in meinen Projekten rausgehe, ist es für die Kinder fast nie ein Problem. Für viele ist es ungewohnt. Es gibt Frei-Raum und andere Geräusche. Es kann kälter sein als im Klassenraum oder naß und ja – sogar dreckig. Nach kurzer Zeit haben sich die Kinder, die Jugendlichen nach etwas längerer Zeit, daran gewöhnt. Sie beginnen die Welt wahrzunehmen, gehen Aufgaben nach oder finden selbst welche.

Wenn wir rausgehen und Draußen-Schule machen, läuft das Lernen anders: der Blick weitet sich und Ungeplantes – wie die tote Maus auf dem Weg – bringt neue Perspektiven. Trotzdem haben wir einen Plan für Draußen und finden Antworten auf unsere Fragen:

Wieviel Zeit haben wir?

Wo gehen wir hin?

Wie planen wir?

Wer kennt den Weg?

Was wollen wir sehen, entdecken, erleben, verstehen?

Was tun wir dann?

Was kann gelernt werden?

Was haben wir gelernt?

Was nehmen wir mit?

Wohin führen unsere nächsten Schritte?

Wenn wir rausgehen, wollen die meisten Lernenden gleich wieder raus.

Wenn ich mit Lehrpersonen in meinen Fortbildungen rausgehe, freuen sich einige und sind schon draußen, bevor ich bereit bin. Doch viele fragen:

Wo führt das hin?

Was ist, wenn die Zeit nicht reicht?

Wo kommen wir hin, wenn wir draußen sind?

Bringe ich meinen Stoff durch?

Nehmen die Schüler genug mit?

Was sagen die … Anderen, die Kollegen, die Eltern, die Schulleitung, die Schulämter,

die Ministerien?

Und viele sagen, wenn wir wieder drinnen sind: „Das war schön!“ und „Mir geht es gut!“ und „Wir haben so viel gelernt, genauso viel wie drinnen, nur schöner.“

Wenn wir rausgehen, ist es wichtig, was die Kinder dazu sagen. Fragt die Kinder!

Was braucht ihr?

Was wollt ihr?

Was findet ihr?

Was seht ihr?

Was versteht ihr?

Was nehmt ihr mit?

Was können wir (da) lassen?

Wo wollen wir in Zukunft hingehen?

Wenn ich rausgehe, verlasse ich das sichere Terrain und vertraue auf die Welt, um mich und auf meine Fähigkeiten damit umzugehen. Deshalb freue ich mich auch so sehr auf all die Akteur*innen, die ebenso vertrauen und die so viel Erfahrung mitbringen. Ich treffe sie bald auf unserer ersten bundesdeutschen Tagung zu Draußen-Schule:

Draußen macht Schule | vielfältig!“ vom 27.-29.10.2022 in Bad Sulza (https://draussenunterricht.de/tagung).

Als Programm-Gestalterin haben ich mit unserem Tagungs-Team die Referent*innen eingeladen – danke an ALLE – und so viele Teilnehmende kommen:

Das wird ein Fest des Kennenlernens!

Wenn ich rausgehe, kann ich anderen Menschen – „in echt“ – begegnen. Mit einigen habe ich seit Jahren nur digital zusammengearbeitet, andere kenne ich jetzt noch nicht und draußen kann ich sie kennenlernen.

Wenn ich rausgehe, verlasse ich die engere Welt drinnen und kann viel besser die Grenzen sprengen, um mich mit der Welt verbinden. Kommt ihr mit raus?

Wenn ich raus gehe, begegnet mir immer

– zum Glück – etwas Unerwartetes.

Come rain, come shine.