Blogeintrag 004.

Ausgezeichnet! Wozu ist das gut?

Blog 14.07.2019

Ausgezeichnet! Wozu ist das gut?

Ausgezeichnet und zertifiziert vom Land Schleswig-Holstein – das bin ich jetzt: als Kulturvermittlerin und als Bildungspartnerin für Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE).
Und kaum war es geschehen, kaum wurde mir die Hand von Bildungsministerin Karin Prien und Staatssekretärin Dr. Doris Stenke geschüttelt, kaum hatte ich eine wohltuende Laudatio über meine Arbeit und meine Vision von Bildung vernommen, kamen schon die Fragen meiner Mitmenschen, der Mutigen, die sich trauen zu fragen, was andere noch nicht mal wagen zu denken:

Wozu ist das gut?
Bekommst Du jetzt mehr Geld?
Mehr Ehre?
Hast Du mehr zu sagen?
Hören jetzt mehr Menschen auf Dich?
Was machen Kulturvermittler?
Kultur oder Vermitteln?
Was ist Bildung für Nachhaltige Entwicklung?

Ich bin glücklich über diese Zertifizierungen und dankbar, für die Hilfe derer, die dies möglich gemacht haben. Dankbar bin ich meiner Familie, die mich unterstützt und auch immer wieder genau fragt, was ich tue. Dankbar bin ich meinen Kolleginnen und Freunden, wie Sylva Jürgensen und Antje Smorra, die Arbeit, Planung und Umsetzung sowie konstruktives Querdenken und Lachen mit mir teilen. Ihr alle seid mein THINK TANK, meine Denkfabrik und mein seelisches Zuhause.
Danken möchte ich auch denen, die Zertifizierungen und die Beurteilung von Bildungsarbeit möglich machen. Sie haben den Mut, neuen Ideen Raum zu geben, manchmal mühsam neue Ideen zu verstehen und sich unbequem gegen festgefahrene Strukturen zu behaupten. Und so finde ich immer mehr heraus, welche Gesichter die Erneuerung im Lande trägt.
Zum Beispiel sind sie Lehrer*innen, die auf dem Land oder auf einer kleinen Hallig in einer kleinen Schule unterrichten. Sie unterrichten seit Jahren alle Kinder und Jugendliche in einer oder wenigen Klassen. Sie arbeiten für vier. Sie gehen – natürlich – auch viel raus zu lernen. Sie kommen immer wieder in Fortbildungen und sie fahren dafür weit, manchmal über Nacht, um dazuzulernen und andere zu treffen, die auch dazulernen.
Zum Beispiel sind es jene engagierten Lehrer*innen und Erzieher*innen, die ihre erfolgreich ausprobierten Ideen, dem gesamten Kollegium näherbringen möchten. Sie haben es oft schwer, denn ein System – gerade Schule – von innen erneuern zu wollen ist echte Pionierarbeit. Sie überzeugen Rektorinnen, laden Fortbildnerinnen wie mich ein und arbeiten dann auch weiterhin, mit den Bedenkenträgern. Für ihren Langmut meine Anerkennung.
Zum Beispiel kommen sie als Quereinsteiger aus der Wirtschaft und lernen zusammen mit den Kindern neu, wie man lernt. Sie leuchten vor Freude an den Kindern und machen daraus keinen Hehl. Sie verbinden ihre anderen Berufe, ob IT-Spezialist oder Tischler, ob Malermeisterin oder Bildhauerin – sie alle wollen unbedingt teilen und weitergeben, was sie selbst begeistert.
Zum Beispiel sind es jene im Ruhestand, der hier lieber „Aktivstand“ genannt werden sollte: Lehrer, Schulleiter und Schulräte, die nun endlich das bewirken, was sie wirklich interessiert. Sie ermöglichen den Kulturvermittler*innen, also Künstler*innen und Lehrer*innen mit Kunst in Schulen zu gehen, um dort gemeinsam das Denken, Lehren und Lernen mit den Sichtweisen und Methoden der Kunst zu beflügeln. Oder sie machen Draußen-Schule und befeuern ein Lernen mit den Kindern draußen. Sie befreien das zweidimensionale Lernen, was im Klassenraum weltfremd als Skelett ohne Fleisch an den Knochen unter Arbeitspapier begraben liegen würde. Oder sie erdenken die NEUEN MENSCHENRECHTE und gehen damit in die sozialen Medien und in die Politik. Sie haben Freude am Reden, kultivierten Diskutieren und an mutigen Auseinandersetzungen. Sie drucken auf eigene Kosten, was sie erdacht haben und verschenken ihre Ideen.
Und dann sind da noch zum Beispiel noch jene, die unscheinbar an Stellen sitzen, die niemals wirklich sichtbar sind, an Stellen, die nur erwähnt werden, wenn es hier mal nicht klappt. Es sind meistens Frauen, die Veranstaltungen planen, in Online-Plattformen einpflegen, Rechnungen bezahlen und sich freundlich mit den Problemen der User befassen. Hier erlebe ich Menschen, die die großen Ideen anderer auch möglich machen, weil sie in kleinen Schritten innovativ und offen sind. Sie sind die Guten Feen im System. Und ihnen möchte ich auch danken.
Doch was sind die Antworten auf die obenstehenden Fragen?
KULTURVERMITTLER*INNEN sind Künstler oder Lehrer, die gemeinsam das Denken, Lehren und Lernen in Schule mit den Sichtweisen und Methoden der Kunst beflügeln. Wir verstehen beispielsweise einen Baum als Organismus besser, indem wir seine Gestalt sehen, zeichnen, botanisch bestimmen, mit dem eigenen Körper darstellen, ein Gedicht über seine Eigenschaften schreiben und ihn vermessen. Wir sind dabei draußen und wir lernen alle zusammen und doch jede/r auf seine individuelle Weise – genauso so agieren wir Kulturvermittlerinnen.
BILDUNGSPARTNER*INNEN FÜR BILDUNG FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG setzen sich mit ihrer Arbeit für die „17 Ziele“ („Agenda 2030“) ein, nämlich dafür, dass die Welt für die kommenden Generationen mindestens genauso lebenswert ist wie jetzt.
Bekommst Du jetzt mehr Geld? Mehr Ehre? Hast Du mehr zu sagen? Hören jetzt mehr Menschen auf Dich? Ich verdiene als Kulturvermittlerin und Bildungspartnerin für BNE nicht mehr Geld, doch ich kann meine Ideen besser umsetzen. Ob ich nun mehr zu sagen habe, kann ich noch nicht beurteilen. Ich habe eigentlich schon immer viel zu sagen gehabt und ich rede gern. Ich merke, dass das, was ich sage, vermittle und lebe jetzt auf Menschen trifft, die dieselben Ziele haben wie ich und die von derselben Kraft angetrieben werden. Was ich tue, tue ich für mich und für andere. Manchmal ist es schwer, weiterzumachen. Es kostet mich viel Kraft, in alten – nicht bewährten – Strukturen genau diese Strukturen zu erneuern. Es macht mich traurig, zu sehen, wieviel Angst vor Veränderung viele Menschen haben, die trotzdem jetzt unglücklich sind. Im Umgang mit solchen Hindernissen können wir alle viel lernen. Zum Beispiel von Greta Thunberg: Durch den Ausdruck ihrer Betroffenheit über das Desaster in dieser Welt, durch ihr unerbittliches Engagement, ist die „Fridays for Future“-Bewegung entstanden. Und das ist großartig. Was macht ihr das möglich? Greta ist intelligent. Sie ist Autistin. Und sie hat Menschen, die hinter ihr stehen. Doch für Greta als Autistin ist die Begegnung mit der Außenwelt eine Herausforderung. Greta scheint wie entrückt und nie wirklich im Kontakt mit ihrer Umwelt zu stehen. Vielleicht schätze ich sie falsch ein, doch könnte es nicht möglich sein, dass genau dieser – wohl nicht selbstgewählte – Abstand Greta die Ausdauer zum Weitermachen gibt? Könnten wir uns nicht einen Funken davon ausleihen, nämlich den Mut für etwas einzutreten, das wir für gut halten, auch wenn wir dafür nicht von allen geliebt werden?
Wenn Du mich also fragst: Wozu ist das gut?
Dann sage ich: Ich tue, was ich liebe und ich liebe, was ich tue.
Die Griechen nennen dies MERAKI [μεράκι]. Es steht für Energie, Tatkraft, Passion, Gram, Trauer, Kummer, Sorge, Verzweiflung, Leiden, Leidenschaft, Hingabe, Herzblut, Dynamik, Schaffensfreude, Verve, Eifer, Heftigkeit, Kraft, Tüchtigkeit, Emsigkeit, Fleiß, Beflissenheit, Einsatz, Feuer, Intension und Engagement.
Und manchmal darf das alles pausieren. Ich schaue auf das Meer und erlaube mir, nichts zu wollen. Manchen Dingen muss man einfach Zeit lassen.

Ich schaue auf das Meer und erlaube mir, nichts zu wollen.

Ausgezeichnet
als Bildungspartnerin für Nachhaltige Entwicklung (BNE)

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